
Die Länge einer Kette | Teil I
Lore
„Jolyon, mein Freund“, flüstert Uldren Sov. „Du und ich, wir werden den Schwarzen Garten einnehmen“. „Ach ja?“ Jolyon Till, das Rückgrat, berühmt unter den Krähen, Scharfschütze, Kundschafter und Geschichtenerzähler, liegt gestreckt und bäuchlings an Uldrens Seite. Die Länge seines abgewetzten Gewehrs, das gegen seine Schulter drückt, verdoppelt seine Höhe fast. „Klar, wir zwei lassen selbst den Saturn in einer Badewanne schwimmen.“ „Ich meine es Ernst, Jol.“ „Und du wirst todernst sein, wenn du zum Mars fliegst, hahaha. Zielentfernung 2.900 Meter. Windstärke und –richtung?“ „Windgeschwindigkeit 21 km/h, aus drei Uhr. Du hast zwei Grad Abweichung nach Norden. Aber ich gehe, ich tu es wirklich. Du musst mitkommen. Wenn du das verpasst, hast du nie mehr die Gelegenheit!" „Wenn ich tot bin habe ich zu überhaupt nichts mehr Gelegenheit. Schussbereit.“ „Drück ab“, sagt Uldren. Die Souveränität knallt und schlägt gegen Jolyons Schulter. Uldren macht sich nicht mal die Mühe, zu überprüfen, ob es ein Volltreffer ist. „Du warst bei allen großen Sachen mit dabei, Jol. Ohne dich schaffe ich das nicht. Außerdem—“ Er öffnet seine Hand, um die ausgeworfene Hülse zu zeigen, die er schnell wie eine Kobra aus der Luft geschnappt hat. „Wenn wir es nicht tun, machen es ein paar Hüter und ehe du dich versiehst, lädt Mara sie ein, Krähenarbeit zu erledigen.“ Jol rollt sich auf die rechte Seite, um Uldren anzusehen. Der Herr der Krähen setzt sein gewinnendstes Grinsen auf; Jolyon Till, das Rückgrat, blinzelt und schlägt mit einer Hand auf den Magazinauswurf. Uldren fängt es. „Du bist genau wie deine Schwester“, seufzt Jolyon, „nur dass die nicht so breit grinst, wenn sie einem übel mitspielt.“ „Ich habe den ganzen Charme der Familie geerbt.“ Uldren wartet geduldig, bis Jol den Bolzen bedient und die Patrone in der Kammer auswirft. Normalerweise gewinnt er bei diesem kleinen Spiel—normalerweise—aber manchmal überrascht Jol ihn. „Es war noch nie jemand im Garten. Stell dir vor, was wir finden werden.“ „Namenlose Schrecken?“ „Es sind alles namenlose Schrecken, wenn ihnen niemand einen Namen gegeben hat, Jol. Es war noch nie jemand dort. Ist das nicht verlockend?“ „Nein. Weil es deine Schwester verboten hat, Uldren.“ „Genau deshalb“, erwidert er heiter, „weiß ich, dass es die Sache wert ist.“ Und weil das Volk der Erwachten eine weitere Geschichte über sein knappes Davonkommen spannend finden wird. Mara hat nie wirklich verstanden, wie viel Helden den Leuten bedeuten. Eine Königin ist zwar unabdingbar, aber bei einem Helden, da weiß man, was er will, wann er verloren und wann er gewonnen hat.

Die Länge einer Kette | Teil II
Lore
Ihr Aufbruch sollte geheim bleiben. „Niemand wird es bemerken“, versichert er Jol. „Wir verschwinden beim Zenit. Bis es jemand mitkriegt, treten wir schon in der Meridian-Bucht auf die Luftbremse.“ „Du bist ein unerträglicher Angeber“, sagt Jol. „Bis wir abheben, weiß die ganze Stadt schon, dass du was vorhast.“ „Wird sie nicht.“ Als sie sich zu ihrem Schiff aufmachen, sind die Promenaden und Galerien voll mit jubelnden Massen aus Fans und Anhängern Uldrens. Er winkt und winkt, dreht sich, grinst, ist besserer Laune, als er je wieder sein wird. Und wenn ein dunkler Funke in ihm aufglimmt, dann ist es die Angst und die Gewissheit, dass diese Leute ihn nur lieben, weil er ihrer Königin so nahe steht. Fragen sie sich jemals, wieso er ständig ihre Regeln bricht? Warum er sich ständig so weit weg von ihr weg wagt? Er will die Anerkennung seiner Schwester. Er weiß und akzeptiert das. Aber er will ihre Anerkennung für etwas, das sie nicht vorausgeahnt, hat, nicht geplant und vorhergesehen hat, und für das sie nicht verantwortlich ist. Er will, dass sie ihm überrascht dankt. Wenn du dich von jemandem wegbewegst, um die Länge deiner Kette zu testen, wirst du die Länge der Kette erst kennen, wenn sie dich aufhält. Ergibt das Sinn? Uldren denkt schon. Uldren fürchtet, dass es so ist. Entweder ist er wirklich frei von seiner Schwester—frei zu wählen, ob er an ihrer Seite steht, sich aus freiem Willen dazu entscheiden—oder die Kette ist länger, als er bisher weglaufen konnte.

Vor dem Tor | Teil I
Lore
Gib Uldren Sov die Gelegenheit, einen Hüter zu quälen, und er ergreift sie schneller, als du „Rasputin hat den Reisenden erschossen“, sagen kannst. Dies vergewissert er den Hütern, wann immer es ihm möglich ist. Er hasst die Stechfliegen des Reisenden, so wie jeder einen Haufen kindische Möchtegern-Götter mit Malbuch-Moral oder quengelnde substanzlose Nichtswisser hassen würde. Sie sind selbstgerechte, arrogante und herzlose Eindringlinge in ein System, das sie nicht verstehen müssen. Das hasst er am meisten: die Fähigkeit, sich durch die Welt zu bewegen, ohne sich darum zu scheren, wie sie funktioniert. Also hat er den Hütern alles angetan, was man sich nur ausdenken kann—sie abgeschossen, umgeschossen, auf dem Untergang geweihte Missionen geschickt, ihre Geister in unerträglich stinkendes Selenophenol getaucht, Löcher gebohrt, um ihre unsäglichen Patrouillen-Signale in massivem Fels zu versenken, sie dazu gebracht, mächtige Waffen zu zerlegen. Aber jedesmal, wenn er in ein Feuergefecht gerät, fragt er sich, wie es wohl sein muss, das ohne jeglichen blanken Horror zu tun. „Jolyon“, zischt er, als der Goblin noch eine Schlaggranate zu ihm hinunter fallen lässt. „Jolyon, wo bist du?“ Nichts. Die Detonation der Granate drückt Uldren auf die Ohren und drückt ihm das Ozon so stark in die Stirnhöhlen, dass er niesen muss. Der Goblin feuert, als er niest. Glasige Splitter geschmolzenen Sands prallen von seiner Deckung ab und platzen laut in der Luft. Er ist dreihundert Meter weiter oben. Hüter, gepanzerte Kabale und furchtlose Vex mögen auf kurze Distanz herankommen, bloße Sterbliche bleiben immer noch so weit auf Abstand, dass sie ihre Ziele kaum noch erkennen können. Das teuflische an den Vex ist, dass sie teleportieren. Uldren weiß nicht, ob er von einem oder von zehn Goblins festgenagelt wird. Eine Kugel schlägt hinter ihm ein.

Vor dem Tor | Teil II
Lore
Radiolaria-Flüssigkeit spritzt auf den Sand. „Geschafft“, gibt Jolyon atemlos durch, „aber ich bin ziemlich sicher, die haben mich im Visier.“ Die Bestätigung trifft in Form einer Salve Kabal-Mörserprojektile ein, intelligente Munition, die dem Geräusch des Gewehrschusses folgt. Normalerweise verschwenden die Kabale sie nicht gegen Vex. Irgendein Zenturio muss scharf darauf sein, sein Spielzeug auf ein Ziel zu verwenden, das nicht wegteleportiert. Uldren saugt erleichtert Luft ein, als Jolyon mit dem Schalter des Funkgeräts klickt, um zu signalisieren, dass er okay ist. Uldren atmet schnaufend. Er kann das Tor zum Garten sehen. Alle wissen, wo es ist, klar, nur reinkommen muss man erstmal— Die Luft schwirrt. Eine aufgewühlte Wolke Vakuumströmung versperrt ihm die Sicht, und dann erscheint in einer Entladung ein Vex-Minotaurus. Uldren flucht, wirft eine Störgranate und rennt. „Es muss eine bessere Möglichkeit geben“, keucht er. „Irgendwelche Vorschläge?“ „Nur den einen, der dir nicht gefällt: Flieg mit einem Raumschiff mit Mach 20 auf das Tor zu.“ „Das Tor ist nicht aktiv! Selbst wenn wir es an den Kabal-Kanonen vorbei schaffen, müssen wir die Vex dazu bringen, es zu öffnen!“ „Und das bedeutet, einen Tor-Lord mit unseren mitgeführten Waffen töten—“ „Stimmt nicht“, schnauft Uldren. „Ich habe eine prinzenhafte Idee.“ Dafür lebt Uldren. Am Tod vorbeischlittern, ihn an den Schnurrhaaren zupfen und dann seinem zahnbewehrten Maul davonhüpfen. „Kontakt abbrechen. Wir müssen jetzt unauffällig sein. Und wir müssen ein paar unglückselige Ziele hochnehmen ...“

Durch das Tor
Lore
Sie kriechen wie die Würmer bäuchlings durch die Mars-Wüste. Aktive Tarnponchos verwischen ihre Konturen. Die umherstreifenden Kabal-Ernteschiffe brummen am Horizont. In den letzten acht Stunden hat Jolyon Kabal-Infanterie mit seinem Gewehr ausgeschaltet und ist dem automatisch ausbrechenden Gegenfeuer ausgewichen. Uldren hat in geknackten Nachrichtendienst-Übertragungen gehört, dass mächtigere Waffen ins Feld geführt und eingesetzt werden. Die Kriegsmaschinerie ist entflammt und von Zorn angeschwollen. Jolyon berührt Uldrens Knöchel. Fingerspitzen-Trommelcode. Wie weit? „Fünfzig Meter“ flüstert Uldren. „Wenn die Vex wissen, dass wir hier sind, haben sie nicht—“ Die Luft prickelt. Infraschall-Dröhnen wühlt den Sand auf. Etwas Mächtiges erwacht über ihnen. „Schon gut“, murmelt Uldren. Die Vex haben jetzt reagiert. Er wirft seinen Poncho ab, erhebt sich mit Revolver und Ablenkungsgranate in der Hand, eine schreiende Herausforderung. Aus der Mars-Wüste vor ihnen ragt der schräge, ausgefranste Ring des Tors zum Schwarzen Garten, groß genug, um ein Gefallenen-Skiff zu verschlucken. Es bebt vor unendlicher Energie. Aus der Blendenöffnung kommt die kolossale Silhouette eines Vex-Tor-Lords, Metall und Geist prallen aufeinander, bauen sich selbst zusammen, bereit diesen geheimen Ort zu verteidigen. Die Vex sind hier geboren, im Sinne einer Taufe: dem Dienst geweiht, der nur dem schrecklichen Zweck dient, den die Maschinen im Innern gefunden haben. „Hey, Großer“, schreit Uldren. „Hier drüben!“ Ruhig und sorgfältig beginnt Jolyon Till, das Rückgrat, damit, mit seinem Gewehr in den Himmel zu feuern. Der Inhalt der großen Magazine seines Gewehrs ergießt sich über die Dünen. Der Tor-Lord türmt sich über ihnen auf. Uldren jauchzt und feuert ein paar Kugeln aus der Hüfte in den Sand vor seinen Füßen. „Kannst du tanzen?“, brüllt er. „Wie gut ist deine Beinarbeit?“ Innerhalb der Vex-Einheit erarbeiten mächtige Algorithmen ein Modell dieses bloßen temporalen Orts, berechnen potenzielle Gefahren, wägen den Nutzen einer Waffenentladung gegen den ab, den diese Macht anderswo erreichen würde. Diese Berechnung ist der einzige Grund, weshalb Uldren noch lebt. Das Knochenmikrofon, das auf Kabal-Nachrichtendienst-Kanäle eingestellt ist, erwacht an Uldrens Kehle. Sie haben das Geräusch von Jolyons Gewehr lokalisiert und reagieren. Er fängt an herum zu hüpfen und brüllt zu dem Koloss hoch „Es wird regnen auf dem Mars. In der Meridian-Bucht ist Monsunzeit! Hast du die Wettervorhersage gesehen?“ Er nimmt Jol bei der Hand und zieht. Gemeinsam sprinten sie in Richtung des Tor-Lords und seiner Ladung. Die Vex-Maschine muss wissen, was bevorsteht—sie muss aber auch die Gewissheit der Kabale gegen die winzige Möglichkeit, dass diese mikrobiotischen Partikel in den Schwarzen Garten gelangen, abwägen. Der Tor-Lord hebt eine Waffe, um sie auszulöschen. Sie rutschen auf die Schwelle des Tors und Uldren aktiviert die Ablenkungsgranate so hart, dass er sich fast den Daumen dabei bricht. Eine perfekte Kugel topologisch fehlerhafter Raumzeit blinkt um ihn herum auf. Er hält Jolyon nahe bei sich und gemeinsam fangen sie an, ruhiger zu atmen. Die Barriere ist undurchdringbar, sie wird aber nicht lange halten. Bis dahin gibt es nur begrenzt Atemluft. Außerhalb entlädt sich der volle Zorn der Kabal-Flottenträger auf den Tor-Lord. Als sich die Barriere auflöst, ist der Tor-Lord tot und Uldren und Jolyon befinden sich nicht mehr auf dem Mars.

Im Garten
Lore
Uldren und Jolyon kauern sich schaudernd unter einem Baldachin aus weißen Zungen zusammen. Regen strömt herab. Uldren kann nicht genau sagen, woher er kommt—irgendwo da oben aus dem grünen Nebel? Aber der Regen fällt und fällt, er und Jolyon legen den Kopf in den Nacken, um zu trinken, hier am Boden einer Kluft zwischen zwei Blumenfeldern, wo sich die makellose Oberfläche des Gartens in tropischen Gestank auflöst. „Hier wächst alles“, murmelt Jolyon. „Sieh dir nur deine Nägel an.“ Uldren betrachtet seine Hand. Er hat ein schreckliches Bild vor Augen, wie seine Fingernägel zu abwärts gebogenen Klauen wachsen, die sich wieder in Richtung seiner Finger biegen und einen grässlichen Kreis zurück zu ihren Wurzeln vollenden. Es ist schrecklich und wundervoll zugleich, auf grenzüberschreitende Art, auf Neugeborenenschrei-Art. Es spricht zu ihm von neuen und geheimen Dingen, die hier geschehen. „Sie sind schmutzig“, sagt er, „aber ich hoffe, du kannst mir das nachsehen. Der Regen lässt nicht nach. Gehen wir los?“ „Gut.“ Jolyon zieht sich an einer Handvoll glitschiger Ranken hoch. Sie versuchen, sich um seine Handgelenke zu schlingen. Kleine, wie Buchstaben geformte Zähne versuchen, an seiner Haut zu sägen. Er starrt sie an, will etwas sagen und reißt dann seinen Arm weg. „Alles in Ordnung?“ „Vorerst“, murmelt Jolyon, „vorerst“. Sie bewegen sich jetzt die Kluft entlang, grüner Nebel wabert über ihnen, knöcheltief in feuchtem Kompost aus Blütenblättern und reichhaltiger schwarzer Erde. Breite, flache Käfer mit geschwungenen Hörnern kämpfen sich über die Erde. Uldren dreht einen davon auf den Rücken. Der Käfer hat kein Innenleben: von unten gesehen ist er nur eine hohle Hülle. Jolyon reißt einen Farn aus und seine Wurzeln sind die sich verzweigenden Drähte eines Schaltkreises. Kleine wühlende Dinger in Form nasser Mikrochips wühlen in der freigelegten Erde. „Mir gefällt dieser Ort nicht“, flüstert Jolyon. „Wir sollten zurück an die Oberfläche ...“ Er meint damit die Oberfläche des Gartens, die gepflegten Abschnitte mit roten Blumen, die sich bis zu einer fernen Hochebene erstrecken. Aber da oben sind viel zu viele Vex, denkt Uldren. Sie sind hier, gärtnern, bewegen die Erde, errichten Mauern, bauen ihre alten Konstrukte aus Stein und Licht. Sie versuchen, diesen Ort zu zähmen. „Es ist das Leben“, schnauft er. „Du hast Recht, Jol. Alles wächst hier ...“ Er kann nicht zulassen, dass dieser Ort getötet wird. Er kann nicht zulassen, dass er geplündert und gestürzt wird, wie alles, das nicht in die engen, binären Dogmen der untoten Krieger des Reisenden passt. Aufregung ergreift ihn und er rennt los, durch den Matsch spritzend und laut lachend. „Uldren“, ruft Jolyon ihm hinterher. „Wonach suchst du?“ „Ich weiß es nicht!“, ruft dieser zurück. „Das macht es ja so unglaublich. Ich kann es nicht wissen!“

Auf der Jagd
Lore
Sie verfolgen den letzten Kabal-Soldaten vom Ort des Gemetzels durch die Blumenfelder, folgen den Tropfen schwarzen Öls, das dem verwundeten Legionär aus dem Druckverband tropft. Uldren bewegt sich mit kaltem, heftigem Zorn. Krieg, hier im Garten. Belangloser, verabscheuungswürdiger Krieg, den eine verpfuschte Kabal-Expedition an diesem Ort ausgelöst hat. Der Garten muss sich selbst überlassen werden, oder nicht? Es muss ihm ermöglicht werden, die geheimen Früchte wachsen zu lassen ... Das Gelände fällt ab. Die roten Blumen gehen über in niedriges, verwobenes Gras. Der Wind flüstert ... sanfte Worte, Sätze mit nur ansatzweiser Syntax, der Tonfall ist fast musikalisch. „Gehirnbeeinträchtigung“, flüstert Jolyon, der die Infektion durch eine ansteckende Idee fürchtet. „Wir sollten ...“, aber hier versiegt die Stimme, als Uldren vorwärts drängt, hinunter in ein niedriges Tal, problemlos durch verwachsenes Unterholz gleitend. Vex. Es sind Vex hier, dutzende Goblins und Minotauren, bewegungslos wie Statuen und mit Moos bedeckt, sie bilden eine Art robotisches Monument. Sie singen in schwachen, geisterhaften Noten unmenschlicher Klarheit. Uldren weiß, was das für ein Ort sein muss. Der Kabal-Legionär kauert sich hinter einen Stein. Uldren kriecht vorwärts. Bis das verwundete, brüllende Ding weiß, dass er hier ist, hat er ihm schon ein Messer an den Helm gepresst, direkt über dem Spalt seiner Lippen und des weichen Gewebes darunter. „Keine Bewegung“, sagt er auf Ulurant. „Nicht reden. Dieses Messer ist atomscharf.“ „Das merke ich“, grunzt der Legionär in seiner Sprache. „Ich hab es direkt vor Augen, es rasiert mir quasi die Brauen.“ „Weißt du, wo du bist?“ „Am schlimmsten Ort, an dem je jemand war?“ „Das sagst du, weil du die Luft nicht riechen kannst“, sagt Uldren. „Sie ist süß. Wie Blütenstaub und Donner. Wieso bist du hier?“ „Auf keinen Fall aus freien Stücken. Die Milchroboter haben uns entführt.“ Das Flüstern hat eine leichte Note Ulurant-Grammatik angenommen, was Uldrens Verdacht bestätigt. Dies ist ein Ort, an dem abstrakte Muster ums Überleben kämpfen, darum kämpfen, sich zu verbreiten, indem sie gegenseitig über sich herfallen. Die Vex singen, um zu sehen, wie der Garten ihr Lied verändert, und selbst diese Unterhaltung hat die Luft bestäubt „Wieso sind sie hier? Was wollen sie?“ „Sie sind hier, um zu beten. Sie machen Schiffe aus sich selbst. Sie sind die schlimmsten Wesen, die es gibt. Sie hassen die Existenz.“ „Woher weißt du das?“ „Oh, von den Samen“, sagt der Legionär. „Kannst du sie sehen?“ Und ohne zu zögern oder einen zweiten Gedanken, schlägt er auf die Notfallentriegelung seines Helms. Der Druckverschluss löst sich und ein Ring schwarzen Gels sprüht zischend heraus. Der Legionär kippt um. Sein Helm rollt in einem breiten Kreis herum. Unter der Gelschicht hat die komplette Oberfläche seines Schädels die vernarbte Textur von Erdbeeren. Tausende kleiner Samen glänzen im Fleisch des Kabals. Uldren streicht fasziniert über die Haut. „Uldren“, sagt Jolyon über Funk, „den Ausdruck auf deinem Gesicht mag ich gar nicht.“ „Dieser Ort hat Geheimnisse“, raunt der Prinz zurück. Das Knochenmikrofon fühlt sich kalt und anorganisch an, es ist nur dürftig mit seinem Fleisch verbunden, verglichen mit den warmen, dicht gedrängten Gruben im deformierten Schädel des Legionärs. „So viele Geheimnisse ...“ Sie sind in ihm gewachsen, Jolyon. Der Garten züchtet Geheimnisse in ihm.“ „Wen interessiert das?“, blafft Jolyon. „Majestät, wir müssen dich hier rausschaffen. Bevor was auch immer mit ihnen geschehen ist auch mit uns passiert!“ Er hat Angst vor Geheimnissen, wird Uldren klar. Das Unbekannte macht ihm Angst. Was sehr vernünftig ist. Sehr rational. Die Einstellung eines guten Kundschafters, eines guten Soldaten, eines Überlebenden. Aber Uldren kann die Vorstellung nicht beiseiteschieben, wie sich Mara wohl an diesem Ort fühlen würde. Was, wenn er sie hierher bringen könnte? Was, wenn sie diesen Ort gemeinsam erkunden könnten?

Nach dem Herz | Teil I
Lore
„Mara, ich habe Blumen für dich!“ Das Gefolge der Königin teilt sich vor Uldren. Erstaunte Blicke wandern blitzartig von seinem Gesicht zu seinen Wunden und den eingetopften Pflanzen, die er in den hohlen Händen hält. Einige sehen einen Verrückten und greifen zu den Waffen, bevor sie sich erinnern, dass das ja Uldren Sov, Prinz der Erwachten ist, Begünstigter der grenzenlosen Milde der Königin. „Sie heißen Asphodelien.“ Er kniet nieder und bietet sie seiner Schwester dar. „Sie wuchsen nur im Schwarzen Garten ... bis heute. Wir werden sie hier einpflanzen, in unserem Reich, wo ich weiß, dass sie Wurzeln schlagen und aufblühen werden. Sie werden die Leute an unsere doppelte Herkunft erinnern.“ Einen schrecklichen Moment lang ist Mara undurchschaubar. Dann lächelt sie und winkt. „Unser Bruder hat den Schwarzen Garten betreten und ist zurückgekehrt. Tritt heran.“ Sie reißt ein einzelnes Blütenblatt ab und legt es über ihre Fingerspitze. Hält es hoch ins Licht. „Wundervoll. Illyn, kümmere dich darum.“ Sie gibt sie weiter. Uldren schluckt seinen Protest hinunter. Er hatte gehofft, sie würde sie selbst einpflanzen. Danach, als sie unter sich sind, ist sie leise und still. Er erzählt ihr alles, an was er sich erinnert. „Hast du das Herz gesehen?“, fragt sie sanft.

Nach dem Herz | Teil II
Lore
„Das Herz ...“ Uldren wägt die Frage seiner Schwester ab. Nach einer Weile kommen seine Erinnerungen durcheinander. Er ist durch einen dornigen Hain gelaufen und die Zweige und Dornen haben ihm die Wangen zerkratzt. Große, feuchte Früchte klatschten gegen seine Schultern und zersprangen zu überreifem Brei. Früchte in Form von schweren, angeschwollenen Geistern. Er kauerte sich mit Jolyon unter einem dicken Spinnennetz zusammen, sie hielten den Atem an und lauschten den Stimmen, die draußen stritten. Sein Herzschlag ... war das sein Herzschlag? Oder der eines anderen? Er war in einem Apartmentblock. Daran erinnert er sich. Er saß im Waschraum, einem Ort mit schwarzweiß kariertem Boden, und beobachtete seine Krähen, die im Trockner immer wieder umherfielen, schwarze Federn wirbelten herum, Schnäbel klackten. Eine große alte Kabal-Frau saß in der Trommel links von ihm und schrubbte sich ihren Rücken mit einer Drahtbürste. Ein Vex-Goblin mit dem Gesicht von Alis Li in ihrem Bauch stand hinter der Theke und verkaufte Waschmittel. „Uldren“, sagte sie, „du hast ein Loch in dir.“ Die Kabal-Frau grunzte zustimmend. Er sah an sich hinunter und da war ein Loch in seiner Hand, schwarz und kreisrund. Sein Trockner lief aus, aber die Krähen waren immer noch nass. „Uldren.“ Mara schüttelte ihn. Normalerweise fasste sie niemanden an. „Hast du das Herz gesehen?“ Es schien das Natürlichste der Welt zu sein, dass ein Garten ein Herz hat. „Die Vex befallen diesen Ort“, sagt er. „Er gibt ihnen etwas, wonach sie sich sehnen. Er ... lässt sie so wachsen, wie sie sein wollen.“ „Du hast die Frage nicht beantwortet“, erwidert Mara kühl. Das ist eine absolut vernünftige Beobachtung. Das Seltsamste, was Uldren sie je hat sagen hören. „Was auch immer das Herz dieses Orts ist“, sagte er auf und ab gehend, „es ist ein Samen. Ich glaube, ein Samen, der zurückgelassen wurde, um auszutreiben. Wie ein ... Glimmerknoten. Oder ...“ Die Idee trifft ihn wie ein Donnerschlag. „Oder wie ein Stolperdraht. Ein Köder, um diejenigen anzuziehen, die das suchen und zerstören, das sie nicht verstehen.“ Ein Köder für Hüter. Ein Köder, um einen Meilenstein bei der Erholung des Reisenden zu markieren. „Ich befahl dir, niemals dort hinzugehen“, sagt Mara. Ihre Augen brennen. Sie zieht ihren Umhang enger. „Bist du mir nicht ergeben?“ „Schwester“, sagt er, „natürlich bin ich das.“ „Und dennoch trotzt du mir.“ Ja, denkt Uldren. Ja, aber ist das nicht das Gleiche? Wie soll man überhaupt etwas für etwas empfinden, das einen niemals überrascht? Er fühlt sich plötzlich vollkommen allein.

Jolyon
Lore
Als er Jolyon im Arsenal sieht, lässt Uldren die Erkenntnis seiner eigenen schier unglaublich gedankenlosen, schändlichen Flegelhaftigkeit vor Schreck nach Luft schnappen. „Hey“, ruft er mit heiserer Stimme. Er weiß nicht recht, wie er sich entschuldigen soll. Er hat nicht mehr mit Jolyon gesprochen, seit sie aus dem Schwarzen Garten zurückgekehrt sind. Er hat ihn vor der Königin nicht gelobt, kein Fest für ihn gegeben wegen seiner Tapferkeit, noch hat er ihn gefragt, ob er noch ruhig schlafen kann, nach ... nach allem. Er hat ihn einfach vergessen. „Hey“, sagt Jolyon, ohne aufzusehen. „Du warst gestern nicht am Schießstand“. „Ach, du brauchst doch gar keinen Zielfinder“, sagt Uldren als Versuch, ihn zu necken. Aber es kommt flach und abweisend rüber. „Ich habe, äh ...“ geträumt. Meine Träume aufgezeichnet. Habe fieberhaft grübelnd die Ursprungsbibliotheken durchstöbert, auf der Suche nach Bestätigung dessen, was sich mein Herz so verzweifelt wünscht, dass es wahr ist. Die Zukunft der Erwachten könnte in diesem Garten liegen. Dort ist ein Urquell des Lichts auf Erden, ein blendendes Leuchtfeuer, das immer heller wird. Die Erwachten werden, so wie sie sind, nicht überleben. Maras Vision und die Wahrheit über ihre Herkunft wird verlorengehen, verwässert von der nichtssagenden Philosophie dieser Stadtgeborenen-Ideologen. Die Hüter werden alles töten, was sie finden. Was, wenn der Garten die Antithese des Reisenden ist? Was, wenn die Erwachten in diesem Garten einen neuen Ort der Balance finden, ein Äquipotenzial zwischen Dunkelheit und Licht? Wenn das Licht heller wird, verdunkelt sich der Schatten— Jolyon sagt etwas. „Entschuldige“, murmelt Uldren und nestelt an seinem Revolver herum. „Was hast du gesagt?“ „Ich sagte, wir sollten darüber reden, was dort geschehen ist.“ „Ja!“ Jetzt erkennt er, wie sehr er Angst davor hatte, dass Jolyon die Bedeutung dieses Ortes nicht erkennen würde. Abscheu und Angst, ja, natürliche Reaktionen, aber er muss darüber hinwegsehen. „Ja, wir müssen alle unsere Beobachtungen aufzeichnen, bevor sie verblassen. Ich hätte dich schon früher fragen sollen—“ „Uldren, ich will nicht, dass irgendjemand erfährt, was wir dort gesehen haben.“ „Oh.“ Das entfacht ein kleines Leuchtfeuer der Wärme in seinem Bauch. „Natürlich. Niemand sonst muss es wissen. Unser beider Geheimnis, ja?“ „Ich wünschte, ich könnte mich nicht daran erinnern, was ich gesehen habe“, sagt Jolyon und tastet am Schlagbolzen seines Gewehrs herum. Er fällt mit einem dumpfen Klingeln auf den Boden und rollt unter seine Bank. Er bückt sich nicht danach. „Und ich bewahre keine Geheimnisse. Uldren denkt einen Moment darüber nach. Die tiefgründige Wahrheit darin trifft ihn wie ein kalter Windhauch. „Das tust du nicht, oder?“ Jolyon weiß genau, wo er geboren wurde, in welchen Stammbaum. Seine Fähigkeiten als Scharfschütze sind öffentlich bekannt. Als eine von Uldrens Krähen fliegt er gefährliche Überwachungsmissionen, aber er ist kein Geheimagent. Uldren weiß ... alles über ihn. „Bist du morgen am Schießstand?“, fragt Jolyon zu beiläufig. „Dachte, wir könnten ein paar Magazine leeren.“ „Morgen nicht“, sagt Uldren. „Ich habe noch zu tun.“ Er versucht sich bereits jetzt vorzustellen, wie Mara wohl reagiert, wenn er versucht die Orakel-Maschine auf den Garten auszurichten. Die Dinge, die er erfahren könnte. Die Dinge, die er lernen könnte ... die Dinge, die sie mit Sicherheit wissen will ...

Nach dem Fall
Lore
Sie ist weg. Er lebt jetzt in einem Zustand anhaltender Furcht. Er hasst die Zukunft, weil er sie fürchtet—er fürchtet ihre Leere, und er kann sich eine einsame Ewigkeit ohne sie nicht vorstellen. Als er die Kante der Mars-Schlucht hinunter taumelt, kann er fühlen, wie der Abgrund nach ihm ruft, ihn bittet, ihr zu folgen. Um alles zu beenden. Der Ort ist so heiß, dass er schweißnass ist. Das tote Gehäuse einer seiner alten Krähendrohnen, das er auf seinen Rücken geschlungen hat, fühlt sich an, als würde es ihm die Rippen zudrücken, seine Lungen gegen sein Brustbein drücken, ihm den Atem nehmen. Er braucht die Drohne, um sein Schiff zu reparieren. Wieder einmal. Er muss weg vom Mars. Er muss anfangen, nach ihr zu suchen. Das Gewicht der Krähendrohne drückt ihn nieder auf alle Viere. Sein Blickfeld verschwimmt—Sterne und strahlende Herolde hoch oben in der Ringebene und eine Wand schrecklichen Lichts—und er sieht den Moment, der ihm alles genommen hat, den Moment, in dem seiner Schwester letztlich und absolut endgültig alle Geheimpläne ausgingen. Den Moment, an dem jeglicher Laut verstummte und er verleugnend aufschrie und doch—trotz dem seine Seele sich danach sehnte, mit ihr zu sterben—zum Ablenkungsschild griff und sein Leben rettete. Er kriecht weiter bis er sich im Schatten eines toten Vex-Blocks ausruhen kann. Er stürzte auf die Candor-Inseln, nicht weit vom Tor zum Garten. Dem Ort, an dem er einen anderen Pfad für die Erwachten sah. Wieso hat Mara seine Einladung nie angenommen? Er hat sie gehört. Sicher, Halluzinationen vor Durst. Aber da ist dieses Summen, dieses Flüstern, dieses Kitzeln von Sternenlicht in seinem Schädel ... Eine Schar seiner Krähendrohnen hat seine Absturzstelle gefunden und sein Schiff repariert. Er hat es bis auf halbe Orbitalgeschwindigkeit geschafft, bevor ihn eine Kabal-Kanone vom Himmel gewischt und krachend ins Hellas-Becken geschickt hat. Jetzt sind seine Krähen tot und sein Schiff kann vermutlich nicht mehr repariert werden. Und seine Schwester ist weg. Seine Schwester ist WEG. Und er ist ihr gefolgt und sein ganzes Volk ist ihr gefolgt, weil er und sie sicher waren, dass sie einen PLAN hatte, dass sie stets einen PLAN hatte, der besser war als ZU TAUSENDEN FÜR EINE STADT ZU STERBEN, DER DAS EGAL WAR. Er sollte nach Hause gehen. Er sollte nach Hause gehen. Wenn er einen Weg findet. Aber wird er stark genug sein? Er kann nicht der Champion sein, den sie geliebt haben. Er kann ihren Glauben an den Zweck der Erwachten nicht mehr wiederherstellen, oder in das Vorhaben seiner Schwester. Er glaubt selbst nicht länger daran. Diese Welt ist jetzt ein Kadaver. Die Narben durch vorbeiziehende Hüter. Kabal-Festungen, die nach Fäulnis riechen, übersät mit Fleisch, Knochen und zerbrochener Panzerung. Die zersplitterten Rahmen von Vex liegen im Sand verstreut. Ein Ort des Todes, Tod und Krieg, ein Krieg, der an den Angelpunkten des Reisenden wackelt, hierher gebracht von den Marionetten des Reisenden, diesem Angelpunkt des Krieges. Da ist etwas in seinem Auge. Er blinzelt und blinzelt, versucht, es rauszuwischen, und währenddessen kann er sich nicht hören, spürt dieses Prickeln des Sternenlichts unter seiner Haut nicht. Sie wird ihm sagen, dass er auf dem richtigen Weg ist. Sie wird ihm sagen, dass sie noch lebt. Er spürt nichts.

Könige
Lore
Als sie ihn schließlich vor den Kell zerren, ist er bereits durch wochenlange Misshandlung, Wochen mit Schlägen und Zwangsmärschen und Bedingungen wie in einem Tierpferch zu einem glücklichen Mann geworden. Der mächtige Kell der Könige sagt ihm, klar aber nicht prägnant, was er von ihm hält. Prinz Uldren von einem niederen Haus, der Geringere von zwei Geschwistern, besiegt von Skolas, geblendet von Variks, dem nicht einmal Geächteten, Verschwender von Flotten, Letzter des Erwachten-Adels, Letzter seiner Art. Als Uldren zu ihm hoch sieht, muss er nicht einmal die Wahrheit aussprechen. Der Kell der Könige hat Uldren und somit sich selbst benannt. Der gebrochene Herrscher eines gebrochenen Hauses. Der letzte Kell. „Du kannst tun, was ich nicht vermag“, sagt der Kell zu Uldren, „du gebrochenes, geschlagenes Ding. Du hast keinen Stolz, also verlierst du nichts, wenn du ein Wort gibst, das gegeben werden muss. Es ist die Dämmerung der Gefallenen und wir müssen unsere Banner niederlegen“. Und unter den gestöhnten und geknurrten Protesten seines Hofs kniet der Kell der Könige vor Uldren nieder. „Ich verbeuge mich vor dir“, sagt er, „denn in deinem Niedergang und deiner Schande trägst du die Schwäche, die uns nicht möglich ist. Du sollst den Eliksni sagen, sie sollen ihre Banner abreißen. Du sollst ihnen sagen, dass wir uns alle einander ergeben müssen. Wir müssen unsere Rivalitäten aufgeben, oder wir werden nicht überleben. Willst du das für unser sterbendes Volk tun, Prinz eines anderen?“ Er wird es tun. Er wird Soldaten, Schiffe und Ressourcen auftreiben, um die Suche zu beginnen. Er hat sie gefunden, er selbst, indem er alles riskierte und überlebte. Wie er es immer tut. Er fühlt sie in seinem Herzen. Sie ist immer noch da draußen. Sie braucht ihn mehr denn je. In der Kuhle seines Leidens erreicht ihn ihre Stimme deutlich—so wie sie ihm einst erschien, während er in einer schwerelosen Schlägerei zu Brei geprügelt worden war. Sie ist da draußen und wartet auf ihn, und alles wird gut. Er wird für sie da sein. Alles wird gut.

Fanatiker | Teil I
Lore
Sie hat schon zu lange geschwiegen. Das ganze Sonnensystem stöhnt wegen der Blessuren durch den Krieg. Uldren lebt in anhaltendem Leiden, ein tauber, mürrischer Schmerz, der ihn zum Äther und schlimmeren Ablenkungen treibt. Er hat das Licht noch nie so stark gespürt. Er hat noch nie so tiefgehenden Schmerz gekannt. Wie viele Jahrhunderte mit seiner Schwester? Und wie schnell er ohne sie zerfallen ist ... Wieso spricht sie nicht zu ihm? Das Riff um ihn herum brennt. Zerschmetterte Asteroiden und aufgebrochene Wohnbereiche, aus denen helle Trümmerflocken strömen. Es gibt kaum etwas so Reines und Helles wie vom Sonnenlicht bestrahltes Treibgut im Vakuum. Das Riff ist riesig, riesig, aber auch dicht, die Gebäude und Leute sind in dicht gedrängten Haufen vor der Leere des Raums versammelt. Oryx und die Rotlegion haben große Löcher ins Riff gerissen. Oh, hätte Uldren Petra doch nur gesagt, dass Trau'ugs Zerbrochene Legion ein trojanisches Pferd war, aber Uldren hat nichts für eine „Regentin“ übrig, die ihr Volk dem Reisenden überlässt. Sie wollte immer schon Maras Zustimmung, die kleine Petra. Wollte sich schon immer einschmeicheln. Aber sie hat nie begriffen, was Mara respektiert, sie war nie willens, den steinigen Weg zu Maras Vertrauen zu gehen. Deshalb spricht Mara nicht zu Petra. Aber Mara hat auch nicht zu Uldren gesprochen. Er stößt sich von der Hülle der zerstörten Korvette ab. Er und die Könige haben den Asteroidengürtel überfallen, Schiffsladungen angegriffen, die Richtung Erde unterwegs waren, versucht, das Riff weiter zu destabilisieren. Uldren hat seine eigenen Untertanen getötet, und zu Anfang fühlte er sich wegen dieser Schuld so jämmerlich, dass er sich in der unbequemen Kammer zusammenkauerte, in der er schlief. Aber hat Mara nicht tausende ihrer Untertanen für ein noch rätselhafteres, höheres Wohl in den Tod geführt? Wo ist da der Unterschied? Sie hat ihr Volk immer für den Altar bestimmt. Die Erwachten sind Schachfiguren ihres Plans. Es liegt an Uldren, diesen Plan wieder auf den Weg zu bringen. „Mara!“, ruft er hinaus ins Sternenlicht. Er ist zu weit gegangen, um jetzt zu betteln. Er ist hat zu viel getan. Er verlangt eine Antwort von ihr. „Ich bin nicht wütend. Ich vergebe dir ... dass du dich geopfert hast, um sie zu retten. Aber du musst mir antworten. Bin ich auf dem richtigen Weg? Bin ich näher daran, dich zu finden?“ Er hat das Haus der Könige als Verbündete. Seine Überfälle auf das Riff haben Petra gezwungen, sich zurückzuziehen, sich festzulegen, sich darauf zu konzentrieren, ihre Bürger zu beschützen, statt mit den Hütern zu kollaborieren. Aber ist er Mara nähergekommen? Hat er ... kann er sich zutrauen, das zu schaffen? Er wollte Mara immer überraschen. Sie dazu bringen, ihre Pläne neu zu überdenken. Aber es würde ihm so sehr helfen, zu wissen, dass sie ein wenig hiervon vorhergesehen hat—um sicher zu sein, dass er auf dem richtigen Weg ist ... „Mara!", schreit er, wegen der ständigen Reizung seines rechten Auges blinzelnd. „Schwester, hast du mich aufgebeben?“ Etwas antwortet ihm!

Fanatiker | Teil II
Lore
Nur ein Flüstern, nur der Hauch einer Versicherung, nur ein Zittern: ... Uldren, mein Retter ... Er folgt der Stimme. Die Wucht seiner Schubdüsenstöße lädiert seinen Körper. Von der taumelnden Korvette hinab zum angeschirrten Asteroiden unterhalb, wo zerschmetterte Servitoren und die Trümmer von Schwebern den Ort einer verlorenen Schlacht markieren: Hüter, die einer Gefallenen-Gruppe einen Hinterhalt gestellt hatten. Die Chemozeptoren seines Anzugs registrieren Äther-Spuren. Er folgt ihnen. Und da ist er, ein Gefallenen-Archon liegt im Staub. Äther dringt aus seinen Ein- und Austrittswunden, die brutale Solarflammen gerissen haben: das Zeichen der Goldenen Kanone. Uldren zischt angeekelt, während er den Fußabdrücken der Hüter im Staub folg. Sie müssen eilig davongesprintet sein, zweifelsohne, um eine andere Stelle auszunehmen, wo Skiffs mit Minenarbeitern heruntergehen. Er betrachtet die Wunden des Archons. Tödlich. Das Opfer bebt jetzt, zittert unter Uldrens Händen. Er will unbedingt etwas tun, irgendetwas, um dem armen Soldaten das Ableben zu erleichtern. Um die Macht zu haben, die manche seiner Schwester nachgesagt haben, nur durch die Nähe zu retten— Wünscht er sich das? Wünscht er es sich, dieses arme Wesen zu retten? Oh ja! Das tut er! In seinen Augen brennen mitfühlende Tränen, während er die Wunden des Archons verbindet. Seine Hände sind schnell und sanft, er weint mit der Stärke des Hasses auf die Hüter, die das getan haben. Als Tränen die Wunden des Archons beflecken, wird der Äther, der durch Uldrens Finger strudelt, schwerer, dunkler und giftiger. Er bemerkt es nicht. Schließlich lehnt er sich zurück und wischt sich mit den Knöcheln über die Augen—gereizt, sie sind immer gereizt. Unter dem offenen Helm öffnen sich vier tote verwunderte Augen. Der Archon krächzt ein Wort, ein zerbrochenes Überbleibsel einer sterbenden Halluzination. Er ruft, von wem auch immer er sich wünscht, dass er ihn im Jenseits willkommen heißt: „Vater?“

Die Trennung
Lore
Ihm ist klar geworden, dass es nicht länger von Belang ist, ob er nicht weiß, was er tun soll, oder ob er das Richtige tut. Von Belang ist das, was er will. Wenn er Mara finden will, um sie zu retten, wenn er nur erbittert genug das Richtige tun will, wenn seine Absichten gut und kraftvoll sind, wird er den Weg finden. Er muss nur an sich selbst glauben. Keine lähmende Analyse mehr, keine schmerzvollen Geheimnisse—er muss ohne Zweifel voranschreiten. Die Erwachten sind eine wundervolle Schöpfung. Er muss dafür sorgen, dass sie sicher sind. Geheimnisse sind sicher. „Schwester?“, fragt er die Wand seines Quartiers. In letzter Zeit hat er zwischen Perioden der Euphorie zu lange geschlafen. Manchmal braucht er eine Stunde, um auf die Beine zu kommen, und eine weitere Stunde, um seine Rüstung anzulegen. War das Leben nicht einst einfach? Konnte er Dinge nicht einfach tun, indem er sie tun wollte? Der Funke in ihm ist erloschen, der Funke der Möglichkeit von Maras Vertrauen. Er braucht ihn wieder. Komm, komm, sagt die Wand zu ihm. Es ist Zeit, nach Hause zu kommen und deine Krone zu ergreifen ... Er springt auf die Beine. Ja! Er will wieder etwas, will mehr, als nur dumpf hier herumzuliegen—er will sein Gesicht dem Volk der Erwachten zeigen. Er will, dass ihm eine Willkommensfanfare gespielt wird, er will eine Rede halten, um die Regentschaft anzunehmen, er will sein Volk in Schrecken versetzen und es mit der Entschlossenheit seines Bedürfnisses aufwühlen Mara zu retten. Die Erwachten haben so viel überlebt. Er will ihnen sagen, dass sie nicht länger zu überleben brauchen, dass das Ende naht, das Ende eines langen Plans. Er geht auf die Brücke der Ketsch. „Was gibt es für Neuigkeiten aus dem Riff?“ bellt er. Ein Schweber überträgt den Ton in seine Ohren. Petras Stimme. Petra, die es wagt, zu ersetzen, was nicht ersetzt werden muss. „Cayde, die Ziele sind jetzt im Krater. Meine Einsatztrupps sind in Blockadeposition. Wen auch immer du hast, ruf sie jetzt her.“ Hüter. Petra und die Hüter arbeiten zusammen. Hat Mara das je gewollt? Uldren glaubt das nicht. Kann es sein, dass er zu spät ist? Das die Erwachten keine ... Erwachten mehr sind? Durch die Abwesenheit seiner Schwester in die Trance des Reisenden eingelullt ...? „Kurs auf den Vestianischen Außenposten nehmen“, blafft er und reibt sich die Augen. „Skiff zum getarnten Eindringen vorbereiten. Wir werden Petra ein Ende setz–“ „Was soll das?“ knurrt ihm ein Captain der Könige ins Ohr. „Das Haus der Könige ist äußerst zufrieden mit dem Zustand der Domäne der Erwachten. Und wenn wir eingreifen, ziehen wir mit Sicherheit die Aufmerksamkeit der Hüter auf uns ...“ Gehorsamsverweigerung. Das hätte sie nie toleriert. „Ah“, sagt Uldren, darauf achtend, dass seine Stimme leicht klingt, „ja, natürlich“. Das Brennen in seinen Augen setzt wieder ein und er entdeckt ein neues Verlangen. Etwas, das er unbedingt will.

Fokrul
Lore
Der Archon, den er gerettet hat, heißt Fokrul und er verehrt Uldren wie einen Vater und Gott. Uldren begreift, jetzt, was sie zusammengeführt hat. Sie sehen beide eine Zukunft für ihr gebrochenes Volk ... eine Zukunft, die man nicht erreicht, indem man zurückblickt. Fokrul erzählt Uldren, wie die Gefallenen durch die Abhängigkeit von Maschinen verkrüppelt wurden; wie sie sich an Traditionen festhielten, statt sich selbst in den Abgrund zu werfen, um durch Auslöschung eine Wiedergeburt als neue Art anzustreben. „Mir geht es genauso“, sagt Uldren zu Fokrul, während er ein kleines Galliot-Modell aus einem Stahlblock schnitzt. „Wir sagen, wir existieren auf der dünnen Line zwischen Dunkelheit und Licht, Fokrul. Aber mein Volk hat sich schon immer leicht in die Irre führen lassen.“ „Welche Zukunft siehst du für Erwachte?“, fragt ihn Fokrul. Welche Zukunft? Nachdem er Mara gefunden und gerettet hat? Ihm wird bewusst, dass es ihm egal ist. Er hat so viele Jahrhunderte damit zugebracht, im Umkreis der Erwachten-Gesellschaft herumzuschleichen, Herausforderer abzuwehren, zu spionieren, die Drecksarbeit für Mara zu erledigen ... Nichts ist von Wert außer in Bezug auf Maras Pläne. Nicht mal er selbst. „Von mir aus können sie sterben“, sagt er mit einer Brutalität, die er von sich selbst nie erwartet hätte. Wollte er sein Volk nicht retten? Nein, nein. Mara wollte sie für ihre Zwecke vernichten—die Erwachten haben absolut keinen Wert, außer sie dienen ihrem Plan. „Wenn ein Teil von ihnen überlebt ... wird es der würdige Teil sein.“ Wünscht er sich die Auslöschung der Erwachten? Ist es das, was er sich in Wahrheit wünscht? „Wir haben etwas zu erledigen“, teilt er Fokrul mit. „Das Haus der Könige kommt meinen Plänen jetzt, äh, ungelegen. Ich wünsche ...“ Er wedelt mit dem Messer. „Liquidation.“ Fokrul blickt scharf von seinen eigenen Messern auf, dunkle Äther-Schwaden wie Nebel um sein Gesicht. „Ist es Zeit? Zeigen wir ihnen jetzt die Zukunft?“

Kupierung
Lore
„Am Ende ehrlos“, keucht der ehemalige Kell der Könige. „Treulos und falsch. Der Wille deiner Schwester hat uns von der Großen Maschine ferngehalten, Uldren Sov. Sie hat die Wölfe mit dem Recht adliger Abstammung herausgefordert. Aber du ... du schleichst im Schatten und Dreck herum. Du versteckst dich hinter deinen Blessuren wie ein Geächteter.“ „Witzig, dass du das erwähnst“, spottet Uldren. Er weiß, dass er spottet, aber dieses wertlose Ding hat es verdient. Was hat der Kell der Könige eigentlich gewollt? Er wollte den Weg zurück einschlagen. Mehr Servitoren. Mehr Maschinen. Mehr von der Vergangenheit. Uldren erkennt jetzt, dass Auslöschung erst der Anfang ist: dass die Knochen von dem, was man wird, mächtiger handeln können als das Fleisch, das man zurücklässt. „Fokrul.“ Zerschmetterte Servitoren und tote Gefallene zeichnen sich in den äthergefrosteten Hügeln hinter Fokrul ab. Er kommt leise vor, plump, erschreckend, durch seine Kopfbedeckung sieht man das Licht des Feuers wie ein Gitter aus Schatten und Rauch. Er trägt zwei Schockdolche. „Wir sind die letzten unserer Art“, sagt Uldren zu dem Kell. „Meine Schwester ist weg. Ebenso wie die Idee eurer Großen Maschine. Der Unterschied zwischen uns?“ Er lehnt sich vor und zischt „Meine Schwester wird zurückkommen.“ Mit vier schnellen Schnitten kupiert der Archon der Hohn-Barone den Kell der Könige. Uldren reißt das Siegel des Hauses der Könige ab, das am Gürtel des neuen Geächteten hängt, und hält es in die Höhe, damit alle es sehen können. „Die Könige sind tot.“ „Lang lebe der König“, knurrt Fokrul ehrfürchtig.

Petra
Lore
Danach trennen sich die Wege von Uldren und Fokrul eine Weile. Fokrul geht seinem blutigen Handwerk nach, die Gesellschaft der Gefallenen umzuformen, wie ein Hammer eine Spinne umformt—und bestimmte nützliche Elemente an sich zu ziehen. Uldren setzt seine einsame Suche nach Mara fort. Er erinnert sich an eine lange vergangene Zeit—beim Kundschaften mit den Krähen, beim Kundschaften mit einer jungen Korsarin, die nichts wollte, außer von ihrem Zorn definiert zu werden ... Vielleicht kann Petra auch gerettet werden. Er findet sie am Diebesmund. Was macht sie hier? Mara hätte sich nie dazu herabgelassen, Informationen mit einem Verbrecher auszutauschen an den niedersten Orten von— „So wenige von uns sind noch übrig“, sagt er zu ihr, und in dem Moment, in dem er die Scham in ihr entdeckt, weiß er, dass sie zu weit gegangen ist. Sie kann nicht gerettet werden. In dieser Nacht weint er um Petra. Mara kommt zu ihm in der Dunkelheit. Sie hat sein Leiden gehört. Er blickt verwundert auf: Seine Schwester schickt ihren Willen und ihre Weisheit, um über ihn zu wachen. Dann weiß er, dass alles gut werden wird.

Frei | Teil I
Lore
„Gestehe! Gestehe, dass du meine Schwester in der Träumenden Stadt eingesperrt hast!“ „Das habe ich nicht“, sagt Illyn. „Sie ist nicht eingesperrt, Uldren. Sie ist tot.“ Uldren kennt jetzt die Wahrheit und will alles richtigstellen. Er will es so sehr, dass er weiß, dass nichts, was er in dieser Absicht tut, falsch sein kann. „Hexenlügen“, spuckt er giftig aus. „Sie ist am Leben!“ Illyn mustert ihn eine Weile still. Dann: „Wir wussten, dass du kommen wirst“, sagt sie mit ruhiger Ablehnung zu ihm. „Du bist verloren, Uldren.“ „Du wusstest, dass ich komme, aber du hast nie nach mir gesucht? Dafür hätte dir meine Schwester die Augen genommen.“ „Deine Schwester benötigt jetzt nichts von uns. Nicht einmal dich.“ Der Zorn ist fast so groß, dass er sie töten will. Doch er weiß, das würde Mara nicht wollen. Sie ist jetzt bei ihm, sie ist substanziell, wenn nicht körperlich und sie tanzt am Rande seines Sichtfelds. Du bist so nah, flüstert sie. Befreie mich von diesem Ort, Uldren Sov ... „Du bist verrückt geworden“, sagt Illyn mit abstoßendem Mitgefühl. „Das wäre ich auch fast, als ich wusste, dass sie weg ist. Wieso bist du mit dieser ... Bestie unterwegs? Weshalb bist du gekommen?“ „Ich bin gekommen, um es zu beenden“, teilt Uldren ihr mit. Er versucht sogar zu lächeln, weil er ehrlich ist. Er sagt die Wahrheit. „Mir ist klar geworden, dass ich ein Narr war, zu versuchen sie zu überraschen. Wir alle existieren nach ihrem Plan, Illyn. Wir handeln nur mit ihrem Einverständnis. Ich werde sie retten, weil sie will, dass ich sie rette. Wenn sie will, dass ich sterbe, werde ich sterben.“ Und wenn sie ihren großen Plan für die Erwachten vollendet hat, werden die Erwachten auch sterben. Das ist die Belohnung, die wir so sehr verdienen, denn wir schulden Mara alles. Es wäre ... falsch, wenn wir unseren Zweck überleben würden. Vertrau mir. Das Leben ohne sie ist schlimmer als ... schlimmer als ... “ Er verschluckt sich daran, kann es nicht beschreiben. Am Rand seines Sichtfeldes beobachtet Mara ihn mit all der untröstlichen Sorge und Zärtlichkeit, die er sich immer von ihr erhoffte. An diesem Abend übergibt er sich selbst dem Riff.

Frei | Teil II
Lore
Sie bringen ihn mit einem kompletten Einsatztrupp herein. Einer der Scharfschützen schließt sich Uldren und seinen Bewachern am Extraktionspunkt an und blickt ihm direkt in die Augen, als wolle er eine Frage stellen. Ein großgewachsener Mann mit einem langen Gewehr. Enge, intelligente Augen. Ansehnlich. Ist er ... hat Uldren irgendwann einmal etwas von ihm gewollt? Etwas Wichtiges? Uldren reibt sich abwesend die Augen und starrt ihn an. Er runzelt die Stirn. Aber er kommt nicht drauf. Sie bringen ihn zu einem abgelegenen Landedock auf den unteren Ebenen des Gefängnis der Alten. Als seine Eindämmungseinheit sich zischend öffnet, leuchtet im Nebel die Silhouette eines Exos mit leuchtend blauen Augen und einer Frau mit gezogener Waffe auf. Petra selbst. Sie steht schweigend da. Er weiß, dass sie ihn töten will. Er weiß, dass sie ihm sagen will: „Das hast du gut gemacht“. „Sie spricht mit dir?“ Ihre Worte sind barsch und direkt. „Was sagt sie?“ Uldren schließt die Augen und lässt Maras Stimme durch sich rauschen. Er ist hier im Herzen von Petras Stärke, im Gefängnis, das sie so sorgfältig hütete, als alles andere auseinander fiel. Er ist schwach und gefesselt. Das sind die Stärken, die seine Schwester nie besaß: das Aushalten der Erniedrigung, das Überleben der Niederlage. „Sie sagt ...“ Er hebt das Kinn, um ihrem Blick zu begegnen, und sieht, wie sie zurückweicht. Sie behält ihn im Visier ihrer Waffe, während sie sich vorsichtig Schritt für Schritt zurückzieht. Der Exo tritt vor und stülpt ihm einen schwarzen Sack über den Kopf. „Sie sagt ...“ „Befreie mich.“